Aktuell im Fokus
Ambulantisierung
Vom Bieler Pilotprojekt zur nationalen Strategie
Das Jahresende bietet Gelegenheit, innezuhalten, Bilanz zu ziehen und den Blick nach vorne zu richten. Für die Einkaufsgemeinschaft HSK war 2025 ein Jahr der Weichenstellung: Mit dem Spitalzentrum Biel und dem Kanton Bern hat HSK ein Pilotprojekt zur Förderung der Ambulantisierung lanciert. Dieses Projekt war mehr als ein Experiment – es war der Machbarkeitsnachweis für eine Vision, die nun in die nationale Tarifstrategie der HSK einfliesst.
Warum ist das so wichtig? Die Branche steht vor einem doppelten Umbruch: Ab 2026 tritt der neue ambulante Arzttarif in Kraft - TARDOC und ambulante Pauschalen, begleitet von strikten Regeln zur Kostenneutralität. Ab 2028 folgt EFAS – die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen. EFAS beseitigt zwar einen zentralen Fehlanreiz, garantiert aber keine automatische Verlagerung in den ambulanten Bereich. Die Herausforderung bleibt: Ambulantisierung nicht nur als medizinische Option, sondern als tarifarisch verankerten Hebel für die Zukunft zu etablieren.
2025: Das Bieler Pilotprojekt – ein Meilenstein
Mit dem Spitalzentrum Biel, dem Kanton Bern und der Einkaufsgemeinschaft HSK als Dreiergespann entstand ein Modell, das die bestehenden Fehlanreize im Schweizer Gesundheitswesen adressiert. Ambulante Eingriffe sind medizinisch oft sinnvoller und zugleich kostengünstiger, doch die Schweiz hinkt der internationalen Entwicklung hinterher. Warum?
Einerseits fehlen finanzielle Anreize. Spitäler decken ihre Kosten im stationären Bereich besser ab als im spitalambulanten Bereich. Andererseits bestehen strukturelle Hürden. Ambulante Eingriffe erfordern Investitionen und prozessuale Umstellungen. In stationäre Infrastruktur bereits investierte Mittel lassen sich nicht kurzfristig umschichten (Problematik der «sunk costs»).
Das Pilotprojekt setzt genau hier an: Für bewusst vom stationären in den ambulanten Bereich verlagerte Fälle erhält das Spitalzentrum Biel einen Innovationsbeitrag, der von Versicherern und Kanton finanziert wird. Der Kanton Bern nutzt seinen Handlungsspielraum vor EFAS, indem er einen Teil der eingesparten stationären Kosten reinvestiert. So entsteht im Pilotprojekt ein Mechanismus, der allen nützt: Das Spital erhält bei erfolgreicher Verlagerung in den ambulanten Bereich einen Ausgleich für den Ertragsrückgang. Der Kanton erzielt Einsparungen gegenüber stationären Fällen. Die Versicherer fördern eine tendenziell kostengünstigere, qualitativ hochwertige Versorgung. Die Patientinnen und Patienten profitieren von kürzeren Aufenthalten, einer schnelleren Genesung im vertrauten Umfeld und einem geringeren Infektionsrisiko.
Das Ergebnis: Biel kann signifikante Fortschritte erzielen – Eingriffe können vermehrt ambulant durchgeführt werden, begleitet von Monitoring und klaren Zielvorgaben. Dieses Modell zeigt: Ambulantisierung funktioniert, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Für das neu anlaufende Projekt mit dem EOC und dem Kanton Tessin erwarten wir ähnliche, positive Effekte (siehe Medienmitteilung vom 11.12.2025).
Einführung vom ambulanten Arzttarif mit strengen Spielregeln
Die Einführung des ambulanten Arzttarifs, bestehend aus TARDOC und ambulanten Pauschalen, bringt für 2026 strenge Regeln mit sich und erhöht die Verhandlungskomplexität um zusätzliche Komponenten.
Die statische Kostenneutralität schreibt vor, dass der Taxpunktwert von 2025 auf 2026 unverändert bleiben muss. Spitäler geraten mit dieser Vorgabe unter starken finanziellen Druck. Ihre Ertragslage sinkt mit steigender Ambulantisierung. Entsprechend steigen auch die Erwartungen und der Druck der Spitäler in den Folgejahren ab 2027 Tariferhöhungen für den spitalambulanten Bereich auszuhandeln.
Hinzu kommt die sogenannte dynamische Kostenneutralität, die der Bundesrat im Rahmen der Genehmigung der ambulanten Tarifstruktur im April diesen Jahres festgelegt hat. Bis mindestens 31. Dezember 2028 dürfen die jährlichen Gesamtkosten (Menge x Preis) nicht mehr als 4 Prozent steigen. Wird diese Grenze überschritten, greifen Korrekturmechanismen – bis hin zu Kürzungen des Taxpunktvolumens bei den verursachenden Leistungserbringern in den jeweiligen Regionen. Eine einzige Ausnahme gibt es: Im Schreiben des Bundesrates an die Tarifpartner heisst es ausdrücklich, dass «Kantone, die bereits verstärkt auf ambulante Leistungen setzen, nicht benachteiligt werden». Weiter wird betont, dass die «Bemühungen dieser Kantone, die ambulante Versorgung weiter auszubauen und zu optimieren, nicht durch pauschale Massnahmen gestraft, sondern wertgeschätzt und unterstützt werden» sollen. Genau hier setzt die neue Strategie der Einkaufsgemeinschaft HSK an. Ambulantisierungsprojekte wie in Biel, sind der Schlüssel, um Fehlanreize zu überwinden und das Schweizer Gesundheitssystem zukunftsfähig zu gestalten. Sie schaffen Spielräume für Tariflösungen und ermöglichen es (gleichzeitig), die Vorgaben aus Bundesbern einzuhalten.
Von der Pilotphase zur nationalen Strategie
Ende 2025 hebt die Einkaufsgemeinschaft HSK die Ambulantisierung auf die nächste Ebene: von der Pilotphase zur nationalen Strategie. Die Erkenntnisse aus Biel fliessen in eine umfassende Tarifstrategie ein, die ab 2026 greift. Was bedeutet das konkret?
Für das Tarifjahr 2026 werden die bestehenden Taxpunktwerte kostenneutral überführt – wie vom Bundesrat im Rahmen der Genehmigung des neuen ambulanten Arzttarifs gefordert (statische Kostenneutralität). Ab dem Tarifjahr 2027 sind Tariferhöhungen möglich – jedoch einzig unter der Bedingung einer nachweisbaren Ambulantisierung, mit der die Verlagerung von stationären Behandlungen ins ambulante Setting gemeint ist.
Damit verknüpft die Einkaufsgemeinschaft HSK die Tarifentwicklung mit einem klaren gesundheitspolitischen Ziel. Ambulantisierung wird nicht nur gefördert, sondern tarifarisch belohnt – ergänzt durch kantonale Mitfinanzierung. Dies soll nicht mehr auf Pilotebene mit wenigen Leistungserbringern erfolgen, sondern schweizweit auf einen Grossteil der Tarifverhandlungen ausgerollt werden. Dabei wird in den Tarifverhandlungen die Perspektive auf einen mittelfristigen Zeithorizont gehoben und es werden Mehrjahresverträge anvisiert.
Bei der Strategie stützt sich HSK auf klare Prinzipien: Erstens werden Tarif und Ambulantisierung verknüpft. Tariferhöhungen gibt es nur bei nachweisbarer Verlagerung. Zweitens werden die Kantone eingebunden. Ohne kantonale Mitfinanzierung bleibt Ambulantisierung für Spitäler unattraktiv. Drittens ist Monitoring und Transparenz unabdingbar. Es muss zu einer realen Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich kommen.
Nationale Strategie im Einklang mit den politischen Eckpfeilern
Die Vision der Einkaufsgemeinschaft stützt sich dabei auf zwei zentrale Dokumente des Bundesrats und bezieht damit die politischen Leitplanken wirkungsvoll mit ein. Zum einen ist das Schreiben des Bundesrates (April 2025) zur Genehmigung des neuen Tarifstrukturvertrags unter der Bedingung strikter Kostenneutralität und Monitoring zu nennen. Zum anderen ist das Massnahmenpapier «Runder Tisch Kostendämpfung» vom Oktober 2025 zu erwähnen.
Beide Papiere machen klar: Alle Akteure – Spitäler, Kantone und Versicherer – verfolgen das gemeinsame Ziel, die Ambulantisierung bereits vor der Einführung von EFAS zu beschleunigen. Der Runde Tisch empfiehlt, solche Ansätze wie in Biel schweizweit zu prüfen und umzusetzen. Gleichzeitig gilt: Ambulantisierungsprojekte dürfen nicht zu zusätzlichen Korrekturmassnahmen im Rahmen der neuen Tarifstruktur führen. Die Bemühungen müssen im Konzept der Kostenneutralität berücksichtigt werden. Nach dem Willen des Bundesrats sollen Kantone, die verstärkt auf ambulante Leistungen setzen, nicht benachteiligt, sondern ausdrücklich unterstützt werden.
Fazit und Ausblick: Tarifpartnerschaft als Schlüssel für die Zukunft
2025 war ein Jahr des Lernens und der Vorbereitung. 2026 wird ein Jahr der Umsetzung. Ambulantisierung ist kein Schlagwort, sondern eine Notwendigkeit – für die Patientinnen und Patienten, für die Leistungserbringenden genauso wie für Kostenträger und für die Zukunft unseres Gesundheitssystems.
Die Einkaufsgemeinschaft HSK ist bereit, diesen Weg konsequent zu gehen. Mit dem Start des neuen Arzttarifs beginnt eine Phase intensiver Verhandlungen. Wir alle stehen vor einer Vielzahl von Tarifgesprächen – komplexer als je zuvor. Die Kantone werden als Co-Finanzierer und Genehmigungsinstanzen eine zentrale Rolle spielen. Die Erfahrungen aus Biel sind dabei der Kompass: Sie zeigen, dass Kooperation funktioniert, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. Das Ziel von HSK für 2026: Die nationale Strategie zur Ambulantisierung in den Tarifverträgen verankern und damit den Weg für eine nachhaltige, zukunftsfähige Gesundheitsversorgung ebnen. Ganz im Sinne des Leitthemas von HSK «Tarifpartnerschaft 2.0 – gemeinsam neue Wege gehen!»
Weiterführende Informationen
https://www.bag.admin.ch/de/ambulanter-arzttarif
https://www.bag.admin.ch/de/runder-tisch-kostendaempfung
Ihr direkter
Kontakt
Lukas Schönenberger
Leiter nationale Verträge & Recht
T +41 58 340 56 99
lukas.schoenenberger
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