Datentransparenz aus Sicht der Kantone (Teil 2) – Peter Indra im Interview
Im Bild: Peter Indra, Leiter Amt für Gesundheit, Kanton Zürich
Unser Jahresthema lautet: «Transparenz im Gesundheitswesen: Weiter im Blindflug oder endlich klare Sicht?» Diese Frage stellen wir das ganze Jahr über den verschiedenen Akteuren im Schweizer Gesundheitswesen und beleuchten mit ihnen diese Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln. Im ersten Teil des Interviews im Juni (Link zum Artikel) hat Peter Indra die Transparenz bei der stationären und ambulanten Versorgungsplanung aus Sicht der Kantone beurteilt. Im zweiten Teil des Interviews kommen wir auf die Transparenz von Tarifgenehmigungen und -festsetzungen zu sprechen. Ebenso hinterfragen wir, inwieweit die Gesundheitspolitik der Kantone durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst wird.
Lassen Sie uns von den Tarifgenehmigungen und -festsetzungen sprechen. Wie steht es hier um die Datentransparenz?
Bei einer Tarifeinigung überprüfen wir als Genehmigungsinstanz, ob die Wirtschaftlichkeitsprüfung und der Benchmark realistisch sind. Wir stellen sicher, dass keine Benachteiligungen vorliegen. In der Regel haben wir in diesen Fällen genügend Daten zur Verfügung, um zu beurteilen, ob der Preis sowohl für den Versicherer wie auch für den Leistungserbringer fair ist.
Bei Festsetzungen, in denen wir in der Pflicht sind, den «richtigen Tarif» festzulegen, ist die Situation herausfordernder. Bei den Leistungserbringern fordern wir die Kostendaten ein, die im Rahmen der Vollkostenrechnung (VKR) erhoben werden müssen. Ebenso fragen wir die Versicherer nach den ihnen zur Verfügung stehenden Daten und gleichen beides miteinander ab. Sämtliche Daten unterliegen bei uns einer Plausibilitätsprüfung, fehlende Daten fordern wir nach und wenden bei Bedarf Intransparenz-Abzüge an. Beide Tarifpartner haben im Rahmen der Sachverhaltsabklärungen die Möglichkeit, ihre Argumente und Gegenargumente (in Form von Replik und Duplik) einzubringen. Zudem erfolgt eine Anhörung des Preisüberwachers. «So kommen wir aus meiner Sicht zu einer realistischen und fairen Tarif-Entscheidung, die natürlich von beiden Seiten vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVG) angefochten werden kann.»
Gibt es hinsichtlich den verschiedenen Leistungserbringern Unterschiede bei der Datentransparenz?
Im schweizerischen Gesundheitswesen spielen Datengrundlagen im Tarifwesen eine bedeutende Rolle. «Mit den Bestimmungen der VKL und den jährlichen Datenerhebungen im Rahmen der Weiterentwicklung der Tarifstruktur für den stationären Bereich hat in den letzten Jahren eine starke Vereinheitlichung der Erfassung und Aufbereitung der Spitaldaten stattgefunden.» Eine solche Harmonisierung der Datengrundlage hat sich im Pflegebereich bislang weniger gut etabliert. Ein Einbezug der Pflege in die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) würde sich positiv auswirken. «Auch im ambulanten Bereich ist die einheitliche Datenerhebung noch keine Selbstverständlichkeit». Gerade die Beispiele zu den jüngsten Taxpunktwertentscheiden zeigen auf, dass im Rahmen von Festsetzungsverfahren bei TARMED umfangreiche und jahrelange Sachverhaltsabklärungen für einen Entscheid nötig sind. Für eine Nachfolgelösung von TARMED würde ich mir daher wünschen, dass dort «die Grundlagen für regelmässige, standardisierte Kosten- und Leistungsdatenerfassung geschaffen werden – dies auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung dieser Tarifstruktur.»
Wie machen sich die örtlichen Wirtschaftsinteressen im Gesundheitswesen des Kantons Zürich bemerkbar? Wie gehen Sie in Ihrer täglichen Arbeit damit um?
Aus meiner Sicht machen sich im Kanton Zürich die Wirtschaftsinteressen nicht stark bemerkbar. Im Vorfeld zur Spitalplanung gab es kein Lobbying zur Standortförderung. Stellungnahmen erfolgten in der Regel über die Vernehmlassung. Grundsätzlich haben wir als Kanton gegenüber den Steuerzahlenden die Verpflichtung, deren Steuern fair und transparent einzusetzen. Es ist somit nicht im Interesse des Kantons, die eigenen Spitäler zu bevorteilen, weil dies einem wirkungsvollen Benchmarking und einer wirtschaftlichen Leistungserbringung zuwiderläuft. Zudem gilt festzuhalten, dass die Gesetzgebung des Bundes seit Einführung der neuen Spitalfinanzierung vorgibt, dass «Benchmarking zentraler Bestandteil bei der Tarifierung ist, Spitaltarife betriebswirtschaftlich zu bemessen sind und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit standhalten müssen.» Damit sind die Leitplanken für die Kantone klar vorgegeben. Im Kanton Zürich haben wir mit der Einführung von Mindestfallzahlen pro Spital und später auch pro Operateur zudem unter Beweis gestellt, dass wir gesetzliche Vorgaben in diesem Bereich sogar konsequenter und zielführender umsetzen als von Bundesbern vorgegeben.
Wie sieht es bei der Doppelrolle eines Kantons als Spitaleigentümer und gleichzeitig als Regulator aus? Kommt es da nicht unweigerlich zu einem Interessenskonflikt?
In unserer Organisationsstruktur haben wir die Rolle als Spitaleigentümer einerseits und als Regulator andererseits sowohl personell wie auch funktionell getrennt. Während die Rolle als Regulator bei mir im Amt für Gesundheit angesiedelt ist, wird die Rolle als Eigentümer und Finanzierer vom Generalsekretariat ausgeübt. Zwar sind beide der Gesundheitsdirektorin unterstellt, die Interessensvertretung und -ausübung ist jedoch sauber getrennt. Diese Trennung hatten wir auch in Basel und sie wurde in Zürich organisatorisch gleich verankert. Schliesslich müssen alle Tarifentscheide im äussersten Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht standhalten.
Vielen Dank für das Interview, Herr Indra.
Interview: Verena Haas
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Publikationsdatum
6. Oktober 2022