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5. Tagung der Einkaufsgemeinschaft HSK

«Ambulant vor stationär» liest und hört man in letzter Zeit sehr häufig in den Medien, aber was genau wird darunter verstanden? Warum hätte die Umsetzung dieses Paradigmas Einsparungen zur Folge? Was müsste man dafür ändern im Schweizer Gesundheitswesen? Wer würde davon profitieren?

Es geht um operative Eingriffe, die in einem Spital durchgeführt werden und einen stationären Aufenthalt des Patienten mit einer Verweildauer von bis zu zwei Tagen nach sich ziehen. Fachleute aus Medizin, Politik und der Versicherer sind der Meinung, dass solche Eingriffe meist ebenso gut ambulant durchgeführt werden könnten, das heisst ohne Übernachtung des Patienten in einer stationären Einrichtung. Eine kürzlich veröffentliche Studie von PwC spricht von 230'000 kurzstationären Eingriffen pro Jahr in der Schweiz, welche mittel- bis langfristig ambulant durchgeführt werden können und dabei Einsparungen von rund 830 Millionen Franken auslösten (Quelle: Ambulant vor stationär, PwC). Diese Einsparungen sind die Folge der tieferen Kosten bei ambulanter Versorgung. Profitieren würden davon in erster Linie die Patienten. In zweiter Linie hätte die Verlagerung von stationär zu ambulant auch Vorteile auf systemischer Ebene wie zum Beispiel geringeres Kostenwachstum. Warum also funktioniert ambulant vor stationär nicht?

Die Einkaufsgemeinschaft HSK nahm diese Frage für ihre fünfte Tagung unter dem Titel «Ambulant versus Stationär» auf, um mit den Repräsentanten von Krankenversicherern, Spitälern, Gesundheitsdirektionen, Verbänden und Behörden die Gründe, Auswirkungen und mögliche Handlungsszenarien zu diskutieren. Unter der Moderation von Claudia Steinmann, Chefredaktorin Tele Z, beleuchteten die Referenten durch ihre unterschiedlichen Perspektiven die Interessenskonflikte sowie die Komplexität des Themas respektive der Regulierungsmöglichkeiten. Eines ist klar: Fehlanreize gibt es auf allen Seiten.

Dr. Michael Stamm, medizinischer Leiter und Geschäftsführer des Operationszentrums Burgdorf brachte es so auf den Punkt: Aus unternehmerischer Sicht sollte heute kaum etwas ambulant operiert werden. Die aktuellen Abrechnungsmodalitäten verursachen unnötige Leistungen und einen von der Versicherungsdeckung der Patienten abhängigen Steuerungseffekt durch die Ärzte. Das heisst die Leistungserbringer entscheiden nicht nur im Sinne der Patientinnen und Patienten, sondern lassen sich auch von ökonomischen Interessen lenken. Diese Fehlallokation koste Personal, Knowhow und Geld. Das wiederum hemme Qualitätsverbesserungen und eine Weiterentwicklungen des Gesundheitswesens. Stamm nennt die aktuelle Situation sogar «skandalös». Aus medizinischer Sicht vertritt Stamm trotz allem die Meinung, dass 70% der Operationen - anstelle der aktuell 25 bis 30% - ambulant durchgeführt werden können und auch sollen. Denn Stamm ist überzeugt, dass eine Verlagerung von stationär zu ambulant auf individueller wie auf systemischer Ebene gewichtige Vorteile hätte.

Die knapp 15 Milliarden Franken der geplanten Spitalinvestitionen in den kommenden Jahren spiegeln dazu ein paradoxes Bild wider: 75% der Investitionen fliessen in den stationären Bereich um Kapazitätserhöhungen zu ermöglichen. Peter Graf, Geschäftsführer der Einkaufsgemeinschaft HSK fragt sich, ob diese Investitionen im richtigen Bereich geplant seien. Es ist zwar korrekt, dass auch die DRG-Fallzahlen seit 2012 stetig zunehmen. Bei genauerer Analyse einzelner Spitäler respektive einzelner Eingriffe wird jedoch klar: Grund dafür sind ebenfalls Fehlanreize, wie sie Stamm bereits erwähnte. Einerseits sind stationäre Eingriffe im Vergleich zu ambulanten für Spitäler per se lukrativer. Andererseits scheint der Versicherungsstatus der Patientin oder des Patienten eine Rolle für die Versorgung zu spielen. Helsana kann mit ihren Auswertungen eindeutig nachweisen, dass Zusatzversicherte im Vergleich zu Allgemeinversicherten für den gleichen Eingriff häufiger stationär behandelt werden. Die Einkaufsgemeinschaft HSK wird sich für patientenfreundliche und finanzierbare Lösungen einsetzen und plädiert für intensivierte Aufklärung der Versicherten durch die Versicherer. Allenfalls könnte durch restriktive Kostengutsprachen für definierte Diagnosen und Eingriffe eine Steuerung hin zu vermehrt ambulanter Versorgung erreicht werden.

Rüdiger Lohmann, Geschäftsführer der Lohmann & Birkner Health Care Consulting GmbH in Berlin, bombardierte die Anwesenden förmlich mit Fakten und Zahlen. Seine Statistiken untermauern das gleiche Bild: In den OECD-Ländern steigen die Fallzahlen gegenüber dem Bevölkerungswachstum stärker an. Wie die Schweiz kämpft auch Deutschland mit der hohen Klinikdichte. Um der Bevölkerung die landesweite Klinikplanung respektive -schliessung direkt zu veranschaulichen, wurde ein sogenannter Kliniksimulator online gestellt. Dabei kann jede Einwohnerin und jeder Einwohner direkt die eigene PKW-Fahrzeit zum nächsten, erreichbaren Krankenhaus ermitteln. Damit schafft Deutschland eine beeindruckende Transparenz, die der Schweiz in dieser Einfachheit fehlt. Pointiert und mit aussagekräftigen Zahlen untermauerte Lohmann zudem seine Aussage, dass in Deutschland zu viel operiert wird. Am Schluss seines Vortrages machte er sich stark für einfache, verständliche und fliessende Prozesse, bessere Informationen und Abläufe auf dem Patientenpfad. Dies bringe seines Erachtens für die Patientinnen und Patienten echten und grossen Mehrwert.

Nationalrat Dr. Ignazio Cassis, Präsident curafutura, referierte über die Finanzierung von ambulanten und stationären Behandlungen. Seine These: Eine einheitliche Finanzierung bringt mehr Qualität für weniger Geld. Detailliert und anschaulich zeigte Cassis die aktuelle Mittelherkunft, -allokation und den Mitteleinsatz auf. Es wird klar, dass es auch hier Fehlanreize gibt, die zu hohen Kosten führen, ohne die Qualität zu verbessern. Insbesondere bremse die ungleiche Finanzierung aber die Verlagerung von stationärer zu ambulanter Versorgung. Genau das wäre mit Blick auf die Gesamtwirtschaft aber sinnvoll. Im präsentierten Modell EFAS (Einheitliche Finanzierung ambulant|stationär) sollen die Krankenversicherer die formale Zahllast für ambulante wie auch stationäre Behandlungen, bei gleichbleibender Mittelherkunft (Mischfinanzierung Prämien und Steuern), alleinig übernehmen. Dazu müssten auf Gesetzesstufe die Finanzierungsströme geändert werden; weg von der dualfixen und hin zu einer monistischen Finanzierung. Laut Cassis ist die technische Lösung für das Problem relativ einfach umsetzbar. Der Wille aller Akteure wird ausschlaggebend sein.

Der Referent Lukas Engelberger, Vorsteher des Gesundheitsdepartements und Regierungsrat Basel-Stadt, zeigte am Beispiel der Region Basel den Willen der Kantone, ihren Beitrag zur Optimierung des Gesundheitswesens zu leisten. Basel Stadt und Baselland präsentieren sich als regionaler Versorger, der die Situation optimieren und die Kosten dämpfen will. In der Folge wird gemeinsam geplant und Prozesse werden harmonisiert. Dabei werden Kompetenzen und Investitionen gebündelt. Die Versorgungsregion Basel erhofft sich durch die Synergien Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich. Die gemeinsame Planung ermögliche insbesondere eine effektive Steuerung, was letztlich auch die Verschiebung von stationärer zu ambulanter Versorgung zulasse. Engelberger wirbt für den partnerschaftlichen Spirit aller Stakeholder um die Herausforderungen regional und gemeinsam anzugehen.

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Weiterführende Informationen

Lukas Engelberger - Aktuelle Herausforderungen aus Sicht der Region Basel: Gesundheitsräume als Zukunftsvision Ignazio Cassis - Einheitliche Finanzierung ambulant | stationär - Mehr Qualität für weniger Geld Rüdiger Lohmann - Ambulant versus Stationär: Was bedeutet das wirklich? Michael Stamm - Was kann ambulant operiert werden? Peter Graf - Ambulant versus Stationär: Ökonomische Aspekte http://www.pwc.ch/de/publications/2016/ambulant_vor_stationaer_de_16_web_final.pdf