Der Aargau gilt in der Schweiz als einer der Kantone, welcher seine Spitäler früh in die unternehmerische Freiheit entlassen hat. Das KSA ist seit 2004 eine eigenständige Aktiengesellschaft. Was hat sich dadurch für Sie als Finanzchef geändert?
Mehr Handlungsspielraum bedeutet auch mehr Verantwortung. Der mehrheitlich privatwirtschaftlich orientierte Verwaltungsrat forderte sofort neue Führungskennzahlen und neue Entscheidungsgrundlagen. Neben dem Jahresbericht war die Klinikrechnung mit Budget eine Selbstverständlichkeit, wie auch die Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung, die Risikobeurteilung und das Monatsreporting auf Basis einer Deckungsbeitragsrechnung. Man erarbeitete gemeinsam mit den Führungsgremien Visionen und Strategien über die künftige Entwicklung des Unternehmens. Die Anforderungen an den CFO sind stark gestiegen. Zudem überwachte ein Audit Committee, bestehend aus Personen des VR, seine Tätigkeit. Insgesamt war die Verselbständigung jedoch eine interessante Zeit und eine wertvolle Erfahrung, auch wenn der Arbeitstag dadurch anspruchsvoller wurde.
Welche Erfahrung war für Sie besonders prägend?
Auf der Suche nach neuen leistungsorientierten Formen der Spitalfinanzierung hat sich das KSA im besonderen Masse engagiert und eine Arbeitsgruppe aus Ärzten, Pflegenden und Betriebswirtschaftern zusammengestellt. Deren Auftrag war es, eine Methode der Fallkostenermittlung und der fallbezogenen Entschädigung zu evaluieren, die auf Indikationen und Behandlungsleitlinien basiert. Das hehre Ziel war es, die Qualität zu verbessern und gleichzeitig die Kosten zu senken, und zwar durch die Verbesserung der Prozesse und die Verhinderung von unnötigen Leistungen. Daraus ist das „Modell der integrierten Patientenpfade »mipp›“ hervorgegangen. Die interdisziplinäre Entwicklung von Patientenpfaden zusammen mit Ärzten und Pflegenden war eines der lehrreichsten und spannendsten Kapitel in meiner beruflichen Karriere.
Im Interview: Daniel Maag (links) und Erwin Rieben
Seit 2011 verhandelt die Einkaufsgemeinschaft HSK für Helsana, Sanitas und KPT in der Grundversicherung eigenständig. Wie haben Sie diese Entwicklung erlebt? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Hier kann ich nur für das KSA sprechen, obschon die Kantonsspitäler Aarau (KSA), St. Gallen (KSSG) und Luzern (LUKS) aufgrund ihrer ähnlichen Leistungsstruktur gemeinsam mit HSK verhandelten. Die Zusammensetzung der beiden Verhandlungsdelegationen war ideal, d.h. überschaubar, anregend und effizient. Seitens HSK war die Bereitschaft sowie die Fachkompetenz vorhanden, auch im Bereich der OKP neben den rein finanztechnischen Zahlen und Fakten über inhaltliche Fragen zu diskutieren. Der gemeinsame Lernprozess führte dazu, dass die Informationen und Daten kritischer hinterfragt und professioneller analysiert wurden, als das vorher der Fall war. Die Fronten haben sich dadurch aufgeweicht und der Umgang miteinander wurde offener und partnerschaftlicher.
Bei den Zusatzversicherungen ist es aufgrund des Kartellrechts üblich, dass Sie mit den Versicherern bilateral verhandeln. Wie beurteilen Sie die Situation, dass Sie in den letzten Jahren auch in der Grundversicherung mit mehreren Partnern verhandeln müssen?
Das Verhandlungsprimat ist eine Prämisse mit einem hohen Stellenwert in der neuen Spitalfinanzierung. Folgerichtig muss ein Wettbewerb einerseits zwischen den Versicherern und andererseits zwischen den Leistungserbringern stattfinden können. In diesem Sinne spürte man bei der Einkaufsgemeinschaft HSK die Absicht, auch in der Grundversicherung neue Anreizsysteme zu schaffen und neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren, natürlich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und letztlich im Interesse der Prämienzahler. Bedingt durch die langwierigen Festsetzungsverfahren konnte dieser neu gewonnene Spielraum bisher nicht ausgeschöpft werden.
Die Kantonsfinanzen stehen unter Druck – der Kanton muss sparen. Die Prämienentwicklung steht im Fokus der Öffentlichkeit und die Prämien sind das Abbild der Kostenentwicklung. Was tragen Sie bzw. das KSA zur Effizienzverbesserung bei?
Das KSA hat immer wieder Sparmassnahmen umgesetzt. Die durchschnittlichen Fallerträge sind seit 2005 um insgesamt 5% gesunken, obschon die Lohnteuerung mehr als 10% betragen hat. Gemessen am aktuellen Umsatz von 600 Mio. Franken sind das ca. 30 Mio. Franken weniger pro Jahr. Dies war nur durch Effizienzsteigerungen möglich, da sonst das Geld für Investitionen und Innovationen gefehlt hätte. Der Preis im ambulanten Bereich ist seit 2005 um 7% gesunken und das sind nochmals ca. 15 Mio. Franken weniger pro Jahr. Seit 2014 läuft im KSA ein Ergebnisverbesserungsprogramm, womit auf diese Tarifentwicklung reagiert wird. Alleine im Jahr 2015 wurden produktivitätssteigernde und kostensenkende Massnahmen in der Grössenordnung von 60 Mio. Franken realisiert. Doch solche Massnahmen lassen sich nicht ohne Abstriche beim Leistungsangebot und/oder der Qualität „unendlich“ oft wiederholen.
HSK zieht grundsätzlich vertragliche Lösungen gegenüber gerichtlichen Auseinandersetzungen vor. Weshalb hält das KSA – im Verbund mit den anderen Spitälern im Aargau - am Festsetzungsverfahren TARMED und Paramedizin fest, obwohl das BVGer im letzten Jahr zu diesem Thema Klartext gesprochen hat?
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich TARMED im Kanton Bern hat zwar einige Fragen beantwortet, jedoch keine abschliessenden Vorgaben gemacht. Mit der Parallelisierung wurde erstmals ein pragmatisches Kriterium erwähnt, welches bei mangelhafter Datenlage beigezogen werden kann. Insbesondere zwischen privaten Anbietern im Bereich der Paramedizin und uns Spitälern besteht noch eine Differenz, die es zu klären gibt. Wir sind jedoch optimistisch, dass wir noch einen Konsens finden werden.
Im Spätherbst treten Sie den wohlverdienten Ruhestand an. Was wünschen Sie ihrem Nachfolger für die Verhandlungen mit HSK und was geben Sie uns mit auf den Weg?
Mit dem nach wie vor steigenden Kostenwachstum im Gesundheitswesen wird sich die Lage vorerst nicht entspannen, respektive erst dann, wenn seitens der Politik und der Behörden im ambulanten Bereich und beim Leistungsangebot (z.B. via Spitalliste) die Anreize so gesetzt werden, dass die Mengenausweitung eingedämmt wird. Das heisst es wird für HSK und das KSA eine Belastungsprobe werden. Beiden Seiten empfehle ich, trotz möglicher Differenzen an der partnerschaftlichen und offenen Verhandlungskultur der letzten Jahre festzuhalten. Es geht darum, mit Transparenz Vertrauen zu schaffen, mit dem Risiko einmal zu viele oder mangelhafte Informationen weiterzugeben. Daraus können beide Seiten lernen.
Interview: Daniel Maag